Krebs ist eines der großen Mysterien für uns Menschen. Auch Tiere sind davon betroffen, aber gerade durch die zunehmende Lebenserwartung bei Menschen kommt Krebs immer häufiger vor und führt immer häufiger zu Betroffenheit. Entweder, weil man selbst Krebs bekommt oder weil im Verwandten-, Bekannten- oder Freundeskreis Menschen Krebs bekommen.
Mein Vater starb vorletztes Jahr an einem Tumor. Eine sehr aggressive Form, die im Kopf sehr schnell wuchert. Aber auch im Verwandtschaftskreis und im Bekanntschaftskreis von Verwandten sterben immer wieder Menschen an Krebs. Meine Mutter wird dieses Jahr 80 Jahre alt, und demgemäß hat sie viele Freunde und Bekannte im gleichen Alter. Da gibt es immer wieder Berichte über Menschen mit Krebs. Und Todesfälle.
Ich versuche, das Verb “erkranken” zu vermeiden. Die Wissenschaft scheint sich uneinig zu sein, ob Krebs wirklich primär eine Erkrankung ist oder eine Methode, um Mutationen zu gewinnen und damit Vorsprünge in der Evolution gegenüber anderen Lebensformen zu gewinnen. Nur, dass wir auf diesem Planeten keinen Konkurrenzkampf (als Menschheit) mit anderen Lebensformen mehr haben. Für Betroffene ist diese geradezu philosophische Frage aber egal. Menschen leiden. Menschen sterben.
Wissenschaftler versuchen das Phänomen Krebs zu erforschen, Ursache, Wirkungen und Gegenwirkungen herauszufinden. Eine wirkliche Lösung außer Chemotherapie oder chirurgische Eingriffe haben sie bislang nach meinem Eindruck für die Schulmedizin noch nicht gefunden. Aber die Forschung arbeitet daran. Da gibt es einerseits die wissenschaftliche Forschung (beispielsweise an Universitäten) und andererseits die profitorientierte Forschung durch Unternehmen. Dann gibt es noch jede Menge Grauzonen wie Kooperationen von Universitäten und Pharmakonzernen. Institute oder Organisationen, die aus bestimmten Hintergründen heraus gegründet wurden. Selbst Unternehmen wurden manchmal aus Prinzip und nicht aus Profitabsicht gegründet. Einer der Gründer von Novo Nordisk beispielsweise hatte einen guten Grund, seine Frau hatte Diabetes.
Inzwischen ist aber die Forschung im Großen und Ganzen nach meinem Eindruck in den Händen der großen Konzerne. Lehrstühle leiden an Geldmangel, den nur große Unternehmen beheben können. Personen wollen sich positionieren für ihren Ruf oder ihre spätere Karriere. Geld ist ein Schmiermittel, ohne das die Forschung auch im Krebsbereich nicht läuft. Denn die Forschung ist inzwischen so spezialisiert auf so viele unterschiedliche Forschungsprojekte und -möglichkeiten. Die einfachen Grundlagen sind ausgereizt. Apparaturen, Recherchen, Personal – alles ist teuer.
Ich bin zwiegespalten. Einerseits sind da die großen Konzerne, die gefühlt den Gesundheits- und den Pharmamarkt beherrschen. Andererseits weiß ich, wie aufwändig und ressourcenverschlingend Forschung ist. Unter Umständen dauert es ein Jahrzehnt, bis ein Medikament oder eine Methode “auf dem Markt” ist. Oder bis das Projekt eingestampft werden muss. Regularien sollen helfen, die Spreu vom Weizen zu trennen. Ministerien, Behörden und Vorschriften sollen oder wollen darauf achten, dass alles einwandfrei vor sich geht. Was auch immer einwandfrei bedeutet. Andererseits sorgt das Vorschriftenunwesen für einen Aufwand, der…das Ganze noch viel teurer macht.
Die Konkurrenz in der Forschung ist groß. Jeder will etwas Besonderes erforschen und vor allem finden. In dem Bericht auf “Wissenschaft aktuell” geht es darum, ob Antioxidantien gegen den Krebs oder für den Krebs sind. Momentan sind Forscher dabei, einer Ursache-Wirkung-Beziehung auf den Grund zu gehen. Antioxidantien sind Stoffe (z.B. Vitamin E), die das Oxidieren (“Rosten”) verhindern. Und es wäre natürlich ein super Ergebnis einer Forschung, wenn man zukünftig mit Ernährungsergänzungsmitteln dem Körper beibringen könnte, auf Krebs zu verzichten.
Doch das sieht momentan nicht so aus, denn Antioxidatien fördern Lungenkrebs – bei Mäusen.
Die Forscher
…wählten für ihre Versuche zwei chemisch sehr unterschiedliche Antioxidantien. Das fettlösliche Vitamin E ist in vielen Nahrungsergänzungsmitteln enthalten. Das wasserlösliche N-Acetylcystein dient als schleimlösendes Medikament. Die Forscher verabreichten eines der beiden Mittel täglich mit der Nahrung an Mäuse, bei denen sie zuvor Vorstufen von Lungenkrebs ausgelöst hatten. Zehn Wochen später waren bei diesen Tieren mehr und größere Tumoren gewachsen als bei den Kontrollen ohne Nahrungszusatz. Zudem verkürzten beide Antioxidantien die maximale Überlebensdauer um 50 bis 60 Prozent.
Die Forschung geht weiter. Weiteres Geld wird in diese Forschung fließen, von der das Ergebnis nicht klar ist. Das ist ein Charakteristikum der Forschung. Man forscht. Das Ergebnis steht nicht fest, auch wenn es da Vorstellungen oder einen konkreten Wunsch gibt. Doch gerade im Gesundheitswesen, in der Pharmabranche ist das sehr, sehr komplex, was da untersucht wird: Der Mensch.
Bei Unternehmen ist es heutzutage schon oft so, dass das Ergebnis einer Markteinführung letztendlich mit Wahrscheinlichkeiten operiert aber nicht mit Gewissheiten. Die Forschung versucht die Wahrscheinlichkeiten zu verringern beziehungsweise zu erhöhen in einem System, das weit komplexer ist. Nehme ich 30 Gramm Zucker am Tag: Ist das schädlich oder nicht. Werde ich wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher an einer bestimmten Krebsart erkranken. Werde ich trotz Krebserkrankung aber glücklicher sein, weil ich Süßes esse? Bekomme ich dann aber vermehrt Karies? Hängt das davon ab, wie oft ich jogge? Was ist, wenn ich oft lange oder oft kurz schlafe?
In klinischen Studien will man solche Erfahrungswerte am Ende zu einem Rezept bündeln. Aber selbst wenn tausende Menschen teilgenommen haben: Am Ende ist das Rezept (die Einnahme eines Medikaments beispielsweise) nur eine Wahrscheinlichkeitsrechnung.
Für die Mäuse übrigens ist es eine Wahrscheinlichkeitsrechnung, die in den seltensten Fällen ein positives Ergebnis beinhaltet. Mäuse sind so gut wie immer die armen Schweine, die für uns Menschen im Namen der Forschung sterben.
Mäuse sind arme Schweine.
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