Es gibt nur schlechte Nachrichten. Ich prangere das an.
Ich bin süchtig. Ich war es schon lange vor Facebook und Twitter. Auch schon lange bevor ich in 2005 die Blogs abgraste auf der Jagd nach Neuigkeiten. In Jahrzehnten hatte ich mir angewöhnt, täglich das Fernsehen für die 19 Uhr oder die 20 Uhr Nachrichten einzuschalten. Oder im Auto auf der Fahrt nach wohin auch immer zur vollen Stunde und zur halben Stunde das Radio einzuschalten. Und vor ein paar Jahren begann ich immer wieder die RSS-Feeds durchzuhecheln oder sogar die Websites der Nachrichtenwebsites höchstpersönlich aufzurufen.
Getrieben hat mich die Neugierde. Es könnte doch etwas Neues zu hören, zu sehen oder zu lesen sein. Doch es reicht mir. Immer wieder höre, sehe oder lese ich fast nur schlechte Nachrichten. Kriege, Schlägereien, Bestechungen, Naturkatastrophen, internationale Konferenzen mit Resolutionen aber ohne Resultate. Die stündlichen Nachrichten im Hörfunk dauern maximal vier Minuten. Außer der Uhrzeit und dem Wetter gibt es drei oder vier Hauptnachrichten mit schlechten Nachrichten und noch zwei oder drei triviale Nachrichten.
Zwei Tote hier, fünf Tote dort. Wieder in der Politik etwas schief gelaufen. Wieder ein royales Baby geboren. Ein Haus abgebrannt. Die Finanzierung eines Großprojektes aus dem Ruder gelaufen. Ein Verbrecher in einem Bundesland der entgegengesetzten Ecke der Republik ausgebrochen. Säbelrasseln im Pazifik. Eine Tankstelle überfallen. Zwei Länder können sich nach vierzig Jahren diese Woche auch nicht über eine Insel einigen. Der DAX ist auf über 9.000 gestiegen. Ein Papst appelliert an die Menschlichkeit. Eine Bombe explodiert. Ein Sack Reis umgefallen.
Gute Nachrichten gibt es kaum welche. Gute Nachrichten sind keine Nachricht wert. Außer es sind boulevardeske Nachrichten, mit denen die Tränendrüsen oder die Lachmuskeln bewegt werden. Auf der Schlechtigkeit der Welt wird herumgeritten, bis das Pferd tot ist. Nur, dass dieses Pferd nie stirbt. Die Redakteure reiten dieses Pferd einfach viel zu gerne, denn es bringt Quote und Klicks.
Das ist das eigentlich Schlimme: Die Menschen geifern nach schlechten Nachrichten, auch wenn sie davon gar nicht betroffen sind. Ich könnte die Redaktionen und Verlage anprangern. Doch sie wecken nicht nur Bedürfnisse sondern sie befriedigen vor Allem die Gier in uns. Ich gehör(t)e auch dazu. Und ich ekele mich an. Ich ekele mich vor dieser ewigen Hetze nach dem neuesten Schlechten.

Denn viele dieser schlechten Nachrichten betreffen mich nicht nur nicht, ich kann auch an dem Vorgang oder dem erreichten Zustand nichts ändern. Er verändert mich nicht, und ich verändere ihn nicht. Ich kann spenden bei einer (inter)nationalen Katastrophe, aber sonst? Was bringt es mir, wenn die Verbrechensrate steigt oder sinkt? Wie kann ich der ausgeraubten Rentnerin in Hamburg helfen, wenn ich noch nicht einmal ihren Namen kenne?
Im Lokalen, da könnte ich helfen. Doch die lokalen Nachrichten gibt es nicht mehr. Da ist der Mundtratsch mit den Nachbarn das einzig funktionierende Medium – nicht aber die Website mit zehntausenden Besuchern täglich oder die Tagesschau mit Millionen Zuschauern oder die Hörfunk-Nachrichten für ganz Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Ich kann das alles nicht mehr hören. Irrelevant oder ohne Konsequenzen.
Außerdem erfahre ich die wirklich interessanten und relevanten Nachrichten sowieso in den sozialen Medien. Oft zwar mit Links auf Websites, die ich eigentlich gar nicht mehr… wenn ich es erkennen kann, dann rufe ich die Links erst gar nicht auf. Und selbst wenn: Ein Klick, und ich bin weg. Bei den Nachrichten“sendungen” in Hörfunk und TV ergießt sich ein Stream über mich, den ich nicht fastforwarden kann oder in dem ich nicht zur nächsten Nachricht klicken kann. Nachrichtensites sind ein Sammelbecken schlechter Nachrichten.
Ich bin es leid. Im Auto dämmert das Autoradio dahin, zu wenig sind die Nachrichten mir gut genug. Selbst wenn ich im Autoradio einen Sender höre: Kurz vor der vollen Stunde und kurz vor Halb schalte ich das Radio aus. Im Fernsehen zappe ich aus oder weg, wenn die Nachrichten drohen. Ich mag keine Nachrichten mehr.
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2 Antworten auf „Nur schlechte Nachrichten sind Nachrichten“
Hallo! 🙂
Ich kann das so gut nachvollziehen! Mittlerweile schalte ich die Nachrichten im Radio auch immer weg, ja informieren tu ich mich wenig. Denn auf alles was ich stoße, ist von Schlechtem geplagt. Es gibt nur schlechte Nachrichten, denn niemanden scheint es zu interessieren, was gutes passiert ist. Mit Freunden oder Arbeitskollegen habe ich auch schon Debatten über ähnliche Themen geführt: Viele sind zu dem Schluss gekommen, die Welt sei schlecht.
Dabei will ich das nicht glauben. Die Welt ist nur so schlecht, wie wir glauben sie zu sehen. Und wenn uns nur schlechte Neuigkeiten eingetrichtert werden – na klar kommen dann viele Menschen auf den Gedanken, es gebe nichts wahrhaft schönes mehr auf der Welt. All der Einsatz der vielen Menschen, die geistreichen Ideen zur Lösung von Problemen – es interessiert wenige, weil keiner stirbt oder zu Schaden kommt.
Mir ist bewusst, das Gut und Schlecht beides Extreme sind. Ich will aber behaupten, die Welt sei genau so gut, wie sie schlecht ist. Wenn mir ein Sender 50% gute und genauso viele schlechte Nachrichten bieten würde, dann würde ich das Radio und den Fernseher wieder einschalten. Denn ich würde nicht mehr mit diesem Gefühl die Nachrichtenseite schließen, die Welt sei grauenvoll.
Es lohnt sich nach dem Schönen in der Welt zu suchen. Und weil immer weniger Menschen das tuen, werden die, die danach suchen, umso schneller fündig werden. Es lässt sich nur so schwer verteidigen.
Vielen Dank für deine Zeilen!
prometheus mit der Gitarre
Gelegentlich schaue ich mal auf die Seite der Tagesschau. Oder schaue mir die Kurztagesschau oder die Heutenachrichten mal an. Alle paar Tage reicht das schon, um auf dem Laufenden zu bleiben. Über aktuelle Tagesereignisse kommen sowieso genügend Hinweise auf Social Media. Und leider zu viele auf schlechte Nachrichten 🙁