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Ich, die Bundeswehr und die Nazis

Ich bin damals in die Bundeswehr für unsere Demokratie eingetreten. Ich bin schon lange kein Soldat mehr. Doch ich bin schon lange und bleibe Demokrat. Deswegen war ich gestern in Mainz und demonstrierte gegen Rechts und Faschismus.

Im Jahr 1980 trat ich in die Bundeswehr als Offizieranwärter der Luftwaffe ein, um für unsere Gesellschaft und das Grundgesetz mit ihrer Freiheitlich-Demokratischen Grundordnung einzutreten. Neben vielen militärischen und persönlichen Höhepunkten, hat mich in meiner Bundeswehrzeit vor allem eines geprägt: Der Besuch mit meiner Einheit der Offizierschule der Luftwaffe aus Fürstenfeldbruck im Konzentrationslager Dachau.

KZ-Gedenkstätte Dachau - Wachturm und Zaun (2011).
KZ-Gedenkstätte Dachau – Wachturm und Zaun (2011).

Als Zwanzigjähriger mit der fürchterlichen Geschichte an einem Tatort konfrontiert zu werden, hat mich geprägt und mich in meiner zutiefst demokratischen Überzeugung verwurzelt. Damals dachte ich, unsere Gesellschaft in ihrer Gesamtheit hätte dieses dunkle Kapitel überwunden.

Nie wieder

Gleich zu Beginn ihrer Herrschaft haben die Nazis das wahrgemacht, worüber sie zuvor offen schwadronierten. Im KZ Dachau und im rheinhessischen KZ Osthofen wurden sogleich Menschen aufgrund ihrer „Rasse“, ihrer Ansichten und ihrer Tätigkeiten eingesperrt und sehr oft später umgebracht. Nein, es waren nicht nur die Juden und Sinti und Roma (was beides unsagbar fürchterlich war). Es waren Pfarrer, SPDler, CDUler, Journalisten, Gewerkschaftler. Es waren Menschen wie Du und ich, die den Nazis nicht gepasst hatten. Oft wurden persönliche Rechnungen beglichen unter dem Denkmantel der völkischen Bereinigung.

Seit damals habe ich mich immer wieder mit den Nazis und dem Faschismus beschäftigt, aber auch mit den „normalen deutschen Bürgern“, die unvermittelt in einem staatlichen Rahmen geduldet, gefördert oder aufgefordert folterten, töteten und Verbrechen begingen. Wir haben uns damals an der Offizierschule durchaus kritisch mit der Geschichte der Wehrmacht auseinandergesetzt. Später habe ich dann beispielsweise Daniel Goldhagens Buch „Hitlers willige Vollstrecker“ gelesen und die Diskussion darüber verfolgt sowie die Wehrmachtsausstellung besucht.

Deutsche haben nicht nur weggesehen, ignoriert und geduldet, sondern sie haben gefoltert, getötet  und fürchterliche Verbrechen begangen. Deutsche haben ihre Ankündigungen wahrgemacht. Deutsche haben sich von Unbeteiligten zu Mitläufern zu Tätern gewandelt.

Das konnte ja keiner ahnen, dass die das tatsächlich machen.

Wer hätte das von meinem Nachbar gedacht, der war doch immer so still und nett.

Irgendwie nicht ins Schema der Rechten Passende werden beiseite geräumt. Wie Rechte mit ihnen missliebigen Personen umgehen, hat beispielsweise in der Wehrmacht die Blomberg-Fritsch-Krise gezeigt. Das kam ja „vollkommen überraschend“.

Doch in der demokratischen Bundesrepublik, was solle sich da großartig bei den Rechten noch tun? Nun, es gab die NPD. Es gab die Republikaner. Kameraden von mir haben 1980 (!) in München nach dem Oktoberfestattentat Erste Hilfe geleistet. Der Täter war Mitglied in der Wiking-Jugend und der Wehrsportgruppe Hoffmann.

Jetzt gibt es die AfD.

Inzwischen tarnen sich Rechte und Nazis als Demokraten, die sich im demokratischen System bewegen, die Grenzen immer weiter nach Rechts drängen und im Rechtssog gerne „Konservative“ und Konservative aus konservativen Parteien sowie brave Deutsche als Beiwerk mitnehmen. Bei Gegenwind beschwichtigen sie, jaulen geradezu auf („mimimi„) und stellen sich als Opfer einer Kampagne dar.

So wie jetzt, da die Correctiv-Recherchen Pläne von Massendeportationen (verharmlosend „Remigration“ genannt) aufdeckten. Da waren lupenreine Nazis und AfDler dabei, aber auch CDUler. Einerseits werden jetzt Namen und Identitäten von Correctiv-Reportern in rechten Kanälen geteilt. In der Öffentlichkeit präsentiert man sich ganz anders. Da wird sich von einem wichtigen Mitarbeiter getrennt, aber der hätte das ganz privat getan. Und überhaupt, das wäre ja nur ein privates, kleines Treffen gewesen, wo man nur ein bisschen diskutieren wollte. Und jetzt würde man deswegen verfolgt (u.a. Journalismus sei „DDR-Methoden“).

„Normale deutsche Bürger“ stimmen da ein. Das war doch nichts Schlimmes. Und schließlich muss „unser“ Deutschland bewahrt werden vor Überfremdung. Und schließlich sei man ja nicht betroffen, man selbst sei lupenreiner Deutscher. So wie viele derjenigen, die man dann irgendwann abholte, oder die dann selbst Verbrechen begangen. Der stille und nette Nachbar von nebenan.

Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.

Als sie die Gewerkschaftler holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschaftler.

Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude.

Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.

– Martin Niemöller

Martin Niemöller war evangelischer Theologe, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und später Häftling im Konzentrationslager Sachsenhausen.

Ich bin damals in die Bundeswehr für unsere Demokratie eingetreten. Ich bin schon lange kein Soldat mehr. Doch ich bin schon lange und bleibe Demokrat. Deswegen war ich gestern in Mainz und demonstrierte gegen Rechts und Faschismus.

Zu einer Demonstration gegen Rechts sind am Donnerstagabend rund 5.000 Menschen gekommen – darunter auch die Ministerpräsidentin.

SWR: Mehr als 5.000 Menschen bei Demonstration gegen Rechts in Mainz.
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Von Der Schreibende (Frank Hamm)

Der Schreibende (* 1961 in Ingelheim am Rhein als Frank Hamm) ist Kultur- und Weinbotschafter Rheinhessen, Autor und Wanderblogger | #Blogger, #Jogger, #SunriseRun & #Wandern | #Rheinhessen & #Hawaii Fan. Ich lebe in der Ortsgemeinde Selzen in #Rheinhessen, ca. 15 km südlich von #Mainz. Beiträge dieses Blogs werden automatisch im Fediverse als @frank@derschreiben.de geteilt. Kommentare erscheinen nach Freischaltung beim Blogartikel. Als Person findest Du mich im Fediverse unter DerEntspannende@Digitalcourage.social. Im Blog Der Entspannende berichtet ich über das Entspannen bei Wandern, Genuss und Kultur.

2 Antworten auf „Ich, die Bundeswehr und die Nazis“

Danke lieber Frank für diesen offenen Artikel und deinen klaren Standpunkt! Spätestens jetzt, nach den durch die Correctiv-Recherchen aufgedeckten Plänen zur Massendeportation kann niemand mehr die AfD verharmlosen und sagen, das seien Gedanken von Einzelnen. So hat es schon mal angefangen und dadurch kam es letztendlich zu einem verheerenden Weltkrieg. Dies darf sich nicht wiederholen! Wir alle sind es, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung verteidigen müssen und dafür auch demonstrieren müssen!

Vielen Dank für deinen sehr guten Text, den man jedem zum Lesen empfehlen kann: kurz, klar und treffend.

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