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Von der großen Völkermühle – Des Teufels General

Vom Buch und von der „Reinheit“, von der großen Völkermühle und für die Vielfalt. Eine Kapriole meines Hirns schlägt mich von der Geschichte des Wanderns zu meiner Geschichte und zur Geschichte der Menschen am Rhein. Ein Plädoyer gegen die Reinheit und für die Vielfalt.

Eine Kapriole meines Hirns schlägt mich von der Geschichte des Wanderns zu meiner Geschichte und zur Geschichte der Menschen am Rhein. Ein Plädoyer gegen die Reinheit und für die Vielfalt.

In meinem RSS-Feed tauchte von Wanderbloggerin Sylvia (Sylvias Naturally Heart – Wanderblog mit Hund) der Artikel „Wandern durch die Epochen“ auf. Sie betrachtet darin die Geschichte des Wanderns und beginnt mit diesen Absätzen:

Wir Deutschen sind Germanen. Es ist jedoch auch faszinierend, wenn man bedenkt, dass wir auch hier in Deutschland einen wilden Kelten oder edlen Römer in unserer Ahnenliste haben könnten?!

Deutschland ist seit dem 10. Jahrhundert n. Chr. geprägt durch die Zeit des römischen Reiches und die Einwanderung verschiedener Volksgruppen. Im Rahmen dieser Völkerwanderungen und der Vereinnahmung andere Staatsgebiete waren diese Völkerschaften auf ihren Eroberungszügen zu Fuß, per Pferd oder Kutsche unterwegs. Wandern war zu diesen harten Zeiten kein Thema.

„Germanen“, „Kelten“, „Römer“, „Völkerwanderungen“ – sofort musste ich als Rheinhesse an das Drama „Des Teufels General“ von Carl Zuckmayer denken.

Zuckmayer und Des Teufels General

Des Teufels General ist ein Drama in drei Akten von Carl Zuckmayer, geschrieben zwischen 1943 und 1945 im Exil (Vermont, USA). Uraufführung der ersten Fassung war am 14. Dezember 1946 am Schauspielhaus Zürich (Inszenierung: Heinz Hilpert, Bühnenbild: Caspar Neher, Harras: Gustav Knuth). Am 8. November 1947 folgten die deutsche Erstaufführung am Hamburger Schauspielhaus mit Robert Meyn in der Titelrolle und im Januar 1967 die Uraufführung der neuen Fassung im Berliner Schillertheater.

(Seite „Des Teufels General (Drama)“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 19. Juli 2023, 21:51 UTC.)

Zuckmayers Werke waren bereits ab 1933 in Deutschland verboten, er hatte gegen sie Stellung bezogen, und so floh er 1938 vor ihnen in die Schweiz und ein Jahr später in die Vereinigten Staaten.

Sein älterer Bruder, der Musiker Eduard Zuckmayer, war wegen der Abstammung der Mutter aus der assimilierten jüdischen Familie Goldschmidt seit 1934 durch Ausschluss aus der Reichsmusikkammer mit Berufsverbot belegt und deshalb schon 1935 in die Türkei emigriert. Buchstäblich im letzten Moment, schreibt Carl Zuckmayer in seinen Memoiren Als wär’s ein Stück von mir, als Rollkommandos bereits das Haus in Henndorf besetzt hatten, um ihn festzunehmen, und bevor sie am folgenden Tag in seiner Wiener Wohnung erschienen und diese plünderten, entkam er unter Mithilfe von Alfred Ibach am 15. März 1938 mit dem Zug nach Zürich.

(Seite „Carl Zuckmayer“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 5. Dezember 2023, 23:32 UTC.)

Ältere mögen sich bei „Gustav Knuth“ als Filmschauspieler erinnern, doch tatsächlich kam er aus der Theaterwelt.

Vom Buch und von der „Reinheit“

Buch "Der Hauptmann von Köpenick, Des Teufels General" von Carl Zuckmayer (Burchrücken Buch mit Brille und Tastatur im Hintergrund)
Unser Gehirn ist in der Lage, immer wieder große Kapriolen, auch in die Vergangenheit, zu schlagen. In diesem Fall war der Anlass dieses Drama von Carl Zuckmayer, mit dem ich das erste Mal im September 1982 „in Kontakt geriet“. Von meinem damaligen Batteriechef erhielt ich im September 1982 als Fähnrich zur Verabschiedung aus der Einheit ein Buch mit den beiden Stücken „Der Hauptmann von Köpenick“ und „Des Teufels General“ von Carl Zuckmayer. Der Major konnte nicht wissen, dass der Entspannende ein Jahr später als frisch gebackener Leutnant vor ihm strammstehen würde.

Mein Batteriechef war ein ruhiger und nachdenklich wirkender Mensch, ganz anders als sein eher poltriger Vorgänger. Beide Bücher beschäftigen sich mit dem Militär und der Gesellschaft in Deutschland (d.h. im Kaiserreich und im Nazireich). Ein Abschnitt in dem Buch beeindruckte mich damals ungemein und tut es immer noch und immer wieder, wenn von „Deutschen“ oder „Germanen“ in einer Art gesprochen und geschrieben wird, als ob „wir“ eine besondere Nation oder gar „Rasse“ seien, und wir daraus besondere Rechte gegenüber wie auch immer Anderen ableiten könnten oder gar müssten. In „Des Teufels General“ liest General Harras Leutnant Hartmann die Leviten (!), als der ihm seinen Liebeskummer aufgrund seiner rassischen Unreinheit beichtet.
Widmung an Fähnrich Frank Hamm im Buch "Der Hauptmann von Köpenick, Des Teufels General" von Carl Zuckmayer

Ich bin in Rheinhessen geboren und betrachte mich zu einem Teil meiner Herkunft als Rheinhesse. Doch wie groß dieser „Teil“ ist, das vermag ich nicht zu beurteilen, und ich mag es auch nicht. Mein Vater und seine „eingesessene“ Familie war bzw. sind aus Schwabenheim an der Selz, meine Mutter und ihre „eingesessene“ Familie sind aus dem Odenwald. Einer meiner Ururgroßväter kam irgendwo aus Italien ursprünglich als Gastarbeiter, um ab 1868 (also vor über 160 Jahren, nicht vor 60 Jahren) die Odenwaldbahn mitzubauen. Alleine dadurch betrachte ich mich als Mischling.

Rheinhessen hat eine vielfältige Vergangenheit,  die beeinflusst und geprägt wurde durch viele Einwohner, Zuzieher, Durchzieher und Eroberer. Ob Kelten, Römer, Franken, Schweden, Spanier, Franzosen, Deutsche, Protestanten, Katholiken oder Juden – alle haben diese Region geprägt. Wie sollte ich jemals behaupten können, ich sei „Biodeutscher“ oder „der deutschen Rasse“ zugehörig? Und doch bin ich Deutscher, weil ich die Staatsangehörigkeit habe und die Werte des Grundgesetzes wertschätze – wie es allerdings derzeit leider wohl viele nicht mehr tun.

Zuckmayer lässt Harras rigoros mit der Lehre der Nazis von der „Reinheit“ und der „Rasse“ abrechnen und spricht vom Rhein als einer Gegend, in der sich die Völker vermischt haben, und von einer großen Völkermühle.

Von der großen Völkermühle und für die Vielfalt

Von der großen Völkermühle - Des Teufels General (aufgeschlagenes Buch mit Tastatur im Hintergrund und aufliegender Brille)

HARRAS Vom Rhein. Von der großen Völkermühle. Von der Kelter Europas! Ruhiger. Und jetzt stellen Sie sich doch mal Ihre Ahnenreihe vor — seit Christi Geburt. Da war ein römischer Feldhauptmann, ein schwarzer Kerl, braun wie ne reife Olive, der hat einem blonden Mädchen Latein beigebracht. Und dann kam ein jüdischer Gewürzhändler in die Familie, das war ein ernster Mensch, der ist noch vor der Heirat Christ geworden und hat die katholische Haustradition begründet. — Und dann kam ein griechischer Arzt dazu, oder ein keltischer Legionär, ein Graubündner Landsknecht, ein schwedischer Reiter, ein Soldat Napoleons, ein desertierter Kosak, ein Schwarzwälder Flözer, ein wandernder Müllerbursch vom Elsaß, ein dicker Schiffer aus Holland, ein Magyar, ein Pandur, ein Offizier aus Wien, ein französischer Schauspieler, ein böhmischer Musikant — das hat alles am Rhein gelebt, gerauft, gesoffen und gesungen und Kinder gezeugt — und — und der Goethe, der kam aus demselben Topf, und der Beethoven, und der Gutenberg, und der Matthias Grünewald, und — ach was, schau im Lexikon nach. Es waren die Besten, mein Lieber! Die Besten der Welt! Und warum? Weil sich die Völker dort vermischt haben. Vermischt — wie die Wasser aus Quellen und Bächen und Flüssen, damit sie zu einem großen, lebendigen Strom zusammenrinnen. Vom Rhein — das heißt: vom Abendland. Das ist natürlicher Adel. Das ist Rasse. Seien Sie stolz darauf, Hartmann — und hängen Sie die Papiere Ihrer Großmutter in den Abtritt. Prost.

Curd Jürgens in „Des Teufels General“

Curd Jürgens hat General Harras 1955 in der Verfilmung des Dramas gespielt. Leicht abgewandelt und verkürzt gab es darin auch die „Völkermühlen-Szene“, mit Harry Meyen als Leutnant Hartmann.

Des Teufels General ist ein deutscher Schwarzweiß-Spielfilm von 1955 nach Carl Zuckmayers gleichnamigem Drama mit Curd Jürgens in der Hauptrolle. Marianne Koch, Viktor de Kowa und Karl John sind in tragenden Rollen besetzt. Der Film entstand 1954 unter der Regie von Helmut Käutner, produziert von Walter Koppel und der Real-Film GmbH. Am 23. Februar 1955 wurde er in den Kinos uraufgeführt. Im Fernsehen wurde er erstmals am 24. April 1967 vom ZDF ausgestrahlt.

(Seite „Des Teufels General (Film)“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 21. September 2022, 04:53 UTC.)

Fun Fact: Fliegende Eier der Nackenheimer

Car Zuckmayer wurde in Nackenheim in Rheinhessen geboren. Zu seinen bekanntesten Stücken gehört die gesellschaftskritische Komödie „Der fröhliche Weinberg„. Die Komödie spielt in einem rheinhessischen Winzerdorf mit Rheinblick. Die Nackenheimer glaubten aufgrund zahlreicher Ähnlichkeiten und Anspielungen, dass sie gemeint seien, und ließen bei einer Aufführung Eier auf die Bühne fliegen.

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Von Der Schreibende (Frank Hamm)

Der Schreibende (* 1961 in Ingelheim am Rhein als Frank Hamm) ist Kultur- und Weinbotschafter Rheinhessen, Autor und Wanderblogger | #Blogger, #Jogger, #SunriseRun & #Wandern | #Rheinhessen & #Hawaii Fan. Ich lebe in der Ortsgemeinde Selzen in #Rheinhessen, ca. 15 km südlich von #Mainz. Beiträge dieses Blogs werden automatisch im Fediverse als @frank@derschreiben.de geteilt. Kommentare erscheinen nach Freischaltung beim Blogartikel. Als Person findest Du mich im Fediverse unter DerEntspannende@Digitalcourage.social. Im Blog Der Entspannende berichtet ich über das Entspannen bei Wandern, Genuss und Kultur.