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Hierarchien führen nicht

Kein Wunder, dass die jetzt Angst vor der Generation Facebook haben.

Menschen führen, Menschen leiten. Hierarchien machen so etwas nicht. Hierarchien sind der Versuch, Menschen per Dekret zum Führen zu stempeln.

Viel wurde geschrieben und gesagt über die Generation Y, die Millenials und die Generation Facebook. Natürlich verändere das Web 2.0 alles, denn da gäbe es ganz andere Strukturen als im klassischen Büroalltag.

Die Generation Facebook drängt ins Büro und sie hat auch ihre Tools dabei. Dazu hat Gary Hamel zwölf spannende Thesen aufgestellt, in denen er den klassischen Büroalltag den Strukturen des Web 2.0 gegenüberstellt

[ Gary Hamel: Vom Internet in den Büroalltag ]

Schwachsinn. Ich war jahrelang in der hierarchischsten Organisation der Bundesrepublik Deutschland – und da gab es das schon lange auch ohne Facebook, Digital Natives und Co. Jetzt versuchen viele Prediger ein neues Weltbild zu verkünden, das schon lange da war. Ein Weltbild, das das Miteinander arbeiten nicht nur mit Hierarchien und expliziten Regeln (aka “die Unternehmenskultur”) sondern auch mit Selbstorganisation und impliziten Regeln erklärt (die wirkliche Unternehmenskultur). Es ist das “Entweder Oder”, das mich daran stört.

Intrinsische Motivation gab es schon immer. Solange man aber in der dritten oder vierten Ebene der Maslowschen Pyramide war, waren sie nicht sooo wichtig. Aber damit rechnen musste man als Führungskraft schon immer. Nun ja, hätte man müssen sollen.

Der Glaube, dass alleine eine offizielle Hierarchie das Unternehmen führt, ist ein Irrglaube. Tatsächlich gibt es in jeder Gruppe mit einem formellen Führer auch informelle Führer. Uns haben sie das damals eingebleut in der Offizierschule. Und auch, dass es nicht nur einen informellen Führer gibt. Die Rollen und die Führer wechseln situationsbedingt.

Ein paar Punkte, die ich mitgenommen habe:

  • Stelle Dich gut mit den informellen Führern aber verbrüdere Dich nicht mit Ihnen (denn dann verlieren sie ihren Status).
  • Führe als Vorbild in den Rollen und Situationen, in denen es wichtig für Deinen Auftrag ist.
  • Wenn einer in Deiner Einheit einen Job besser als Du machen kann, dann sorge dafür, dass er ihn noch besser macht.
  • Gib den Jungs, was ihnen hilft, dann folgen sie Dir umso lieber. (Anmerkung: Damals gabs noch keine Mädels… oh, das könnte jetzt missverstanden werden…)
  • Der Sold ist nicht so wichtig wie der Tag Sonderurlaub für das verlängerte Wochenende.
  • Und stolz auf etwas oder jemanden zu sein ist manchmal wichtiger als ein bisschen Sonderurlaub.
  • Lass die Jungs ausreden, wenn sie eine Idee haben.
  • Deine Jungs wissen in vielen Sachen besser Bescheid als Du.
  • Leite mehr als dass Du lenkst.
  • Du bist für Deinen Auftrag und für Deine Jungs da.
  • Wenn Du Mist baust, nutzen Dir Deine Schulterklappen gar nichts – nicht bei Deinem Chef und schon gar nicht bei Deinen Jungs.

So hieß es damals. Allerdings hatte ich das nicht zu widerlegende Gefühl, dass es auch formelle Führer gab, die das schnell wieder vergessen haben. Und die trotzdem irgendwann goldene Schulterklappen bekamen…

Neben Hierarchien bei der Bundeswehr gab es schon damals informelle Netzwerke. Innerhalb der Mannschaften, innerhalb der Unteroffiziere und innerhalb der Offiziere. Und auch Netzwerke, die über eine Dienstgradgruppe hinaus reichten. Und es gab Motivationen ohne “per Order Mufti” und ohne “Karotten vor den Esel hängen”. Das gab es auch damals schon ohne Facebook. Das zu vermitteln war Teil des Fachs “Menschenführung” an der Offizierschule.

Und dann kam der Schock, als ich in der freien und fortschrittlichen Wirtschaft erkannte: Die wenigsten Führungskräfte haben jemals irgend etwas über Führung gelernt. Die wissen nichts über Menschenführung, Gruppendynamik oder Teambildung. Und wenn, dann haben sie mal was darüber gelesen oder waren ein paar Tage auf Seminar. Die wurden einfach nur befördert.

Die verstehen einfach nicht wirklich, dass in der Kaffeeküche Netzwerke und Teamstrukturen aufgebaut werden. Dass in der Kaffeeküche (aka am Water Cooler) informelle Führer ihre Abteilung führen. Die wissen gar nicht, wie wertvoll und wichtig die “Ressource Mensch” für ihre Karriere ist.

Die wissen einfach nicht, dass ihre virtuelle Hierarchie-Schulterklappen einen Sch*** bedeuten, wenn das alles ist, was sie haben.

Kein Wunder, dass die jetzt Angst vor der Generation Facebook haben.

Nachtrag (17.08.2014):

Die Präsentation „How to Lose an Employee in 10 Days“ auf Slideshare passt sehr gut dazu, insbesondere Day 1 „Don’t train any of your managers“:

Just because someone’s a manager, doesn’t mean they know how to be a coach.

How to Lose an Employee in 10 Days from Achievers
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Von Der Schreibende (Frank Hamm)

Der Schreibende (* 1961 in Ingelheim am Rhein als Frank Hamm) ist Kultur- und Weinbotschafter Rheinhessen, Autor und Wanderblogger | #Blogger, #Jogger, #SunriseRun & #Wandern | #Rheinhessen & #Hawaii Fan. Ich lebe in der Ortsgemeinde Selzen in #Rheinhessen, ca. 15 km südlich von #Mainz. Beiträge dieses Blogs werden automatisch im Fediverse als @frank@derschreiben.de geteilt. Kommentare erscheinen nach Freischaltung beim Blogartikel. Als Person findest Du mich im Fediverse unter DerEntspannende@Digitalcourage.social. Im Blog Der Entspannende berichtet ich über das Entspannen bei Wandern, Genuss und Kultur.

3 Antworten auf „Hierarchien führen nicht“

Hi Frank!

Sehr schöner und wichtiger Kommentar! Du hast recht, das Problem ist sicherlich nicht neu, allerdings wird das Hierarchie-Prinzip heute einfach öfter hinterfragt. Gerade im heutigen Spannungsfeld der Anforderungen an Mitarbeiter von einerseits Mitdenken und andererseits bitte einfach Ausführen. Ich finde jedenfalls, dass Fachwissen und (operative) Berufserfahrung Führungskräften gut stehen, es jedoch nicht die einzigen Kriterien für eine leitende Position sein sollten. Ich habe von der Bundeswehr eigentlich keine Ahnung, aber waren da eigentlich nicht auch viele der späteren Führungskräfte? Oder haben die die Lektion, von der Du sprichst, nur wieder vergessen?

Die Entwicklungen (insbesondere aus dem Technischen heraus aka Enterprise 2.0) haben die Situation „verschärft“ und dieses Spannungsfeld an die Oberfläche gebracht.

In der Praxis ist es in Unternehmen oft so, dass Mitarbeiter zu Führungskräften wurden, weil sie gutes Fachwissen hatten. Ich kenne auch Unternehmen, in denen Führungskräfte/Chefs von ihren Chefs vertreten werden. Das führt dazu, dass keine eigenen Führungskräfte herangezogen werden. Falls dann die Stelle einer Führungskraft neu besetzt werden muss, weiss keiner, wer denn eigentlich als **Führungskraft** geeignet ist. Bei der Bundeswehr war es so üblich, dass der Stellvertreter aus der Hierarchieebene darunter kam. Dadurch hat er sich in die Führung von Mitarbeitern eingearbeitet (weil er musste wg. Urlaub etc.), bekam Rückmeldungen und andererseits wurde er bei erkanntem Potential entsprechend gefördert.

Wie ich im Artikel schrieb, gab es… oh, da muss ich die goldenen Schulterklappen erläutern. Die unteren und mittleren Offizierdienstgraden haben silberne Schulterklappen, darüber dann goldene (Sterne). Also gab es auch da schon welche, die anders agiert haben. Außerdem kommt mein Wissen primär aus eigener Erfahrung in der Luftwaffe und in bestimmten Einheiten. Es gab immer Chefs, die ihr Ding anders durchzogen und (fast) nur auf „Order Mufti“ setzten.

Je höher die Hierarchieebene ist, desto geringer wird die Bodenhaftung. Weiter oben ziehen andere Mechanismen, der Kampf der Alphatiere und die Konkurrenz werden heftiger. Nach meinem Eindruck werden die meisten derjenigen, „die es geschafft haben“, zu Einzelkämpfern. Klar gibt es Meetings, Briefings etc. aber meistens wechseln die Personen, mit denen man zu tun hat, im Alltag sehr oft. Aber da ich nicht „da oben“ bin, ist das primär eine Vermutung basierend hauptsächlich auf indirekten Beobachtungen 🙂

Ich habe eben noch eine Präsentation in den Artikel eingefügt zum Thema Recruiting. Die zehn Tage spiegeln nach meinem Empfinden die Wirklichkeit in so manchem Unternehmen 🙁

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